Magazin INNOVATION
  • Jason M. Schmitt
  • 25.08.2023

Konsumieren wir bald nur noch KI-Serien?

Oft hört man, dass Hollywood die Ideen ausgehen und mit Blick auf den Streik der Writer's Guild wohl auch bald das Kreativ-Personal. Bringen KI-generierte Serien neuen Schwung in die Industrie oder den Tod der cineastischen Kreativität?

Oft erreicht man das Staffelende seiner neuen Lieblingsserie und ist – betrübt. Plötzlich ist da ein Cliffhanger und Zuschauer müssen mindestens ein Jahr auf die Auflösung warten. Vielleicht wird die Serie davor sogar noch eingestampft!

Wie wäre es jetzt nun, wenn man sich neue Sitcom-Folgen auf Knopfdruck erstellen lassen könnte, die dem Menschen-geschriebenen Original gleichen? Nie wieder müsste man lange warten und man könnte stets das Thema der Folge auf seine persönliche Gefühlslage anpassen? Klingt gut. Zu gut, vielleicht?

 

South Park Folgen auf Knopfdruck

"Our goal with ShowrunnerAI is to solve infinite story in simulations - so that interesting things are always happening to the AIs."

Vor kurzem widmete sich die Firma „The Simulation“ einem Projekt, welches den bisherigen KI-Rahmen sprengte.

Mit ihrem Programm „Showrunner“ liefern sie einen Baukasten für die Erstellung von kompletten Folgen einer jeden Serie. In den veröffentlichten Demo-Videos drehte sich jedoch alles um South Park. Die kontroverse Kultserie eignet sich hierfür gut, aufgrund der simplen Animationen und der stetigen Publicity.

Das Timing könnte obendrein nicht besser sein, da die Serie selbst in ihrer neuesten Staffel ihre erste KI-erzeugte Episode im TV ausstrahlen ließ.

Öffnet man das Programm, sieht man eine lebhafte Karte der Stadt South Park, im üblich schneebedeckten Colorado. Dort wuseln die bekannten Figuren frei herum, wie Cartman, Kyle, Stan und Kenny, sowie Nebenfiguren wie Randy, der Chefkoch und auch Stars wie Elon Musk und Harrison Ford.

Auch eigene Figuren kann man nach Belieben hochladen und sie sogar in einem von „The Simulation“ bereitgestellten Programm von einer KI erstellen lassen. Dem eigenen Gastauftritt in der Serie steht also nun nichts mehr im Weg!

Inzwischen öffnet sich ein Fenster, in dem man einen Episoden-Titel eingibt, eine kurze Beschreibung hinterlegt, worum sich die Folge grob drehen soll, und dann stellt man sich aus den Figuren einen Cast zusammen, wählt Schauplätze, die definitiv vorkommen sollen und los geht’s!

Wie arbeitet die Software?

 

Die KI erzeugt jetzt nacheinander und in keiner festen Reihenfolge die Szenen und packt sie dann an die chronologisch richtige Stelle. Dies tut sie so „unkontrolliert“, da sie dadurch sichergeht, dass jede Szene wirklich perfekt aufeinander abgestimmt ist und sich auf die davor und danach beziehen kann.  Dabei teilt sie die Kompletthandlung in mehrere Nebenhandlungen ein, klassifiziert mit den Buchstaben ABCD, sodass immer klar ist, welcher Aspekt der Story beleuchtet wird und dass am Ende nicht nur ein einziger, linearer und langweiliger Handlungsstrang erzeugt wird.

Charakterisierungen der Figuren kann man selbst editieren, sind aber bei allen schon hochgeladenen Figuren voreingestellt. Da ChatGPT-4 mit Transkripten nahezu aller South Park Folgen gefüttert wurde, eignet es sich perfekt als unterliegende KI für die Textgenerierung der Dialoge aller Figuren.

Das Showrunner Programm beinhaltet scheinbar auch eine Text-to-Speech KI, die auf alle Figuren trainiert ist, sodass Cartman auch wie Cartman klingt und auch der Chefkoch seine sehr basslastige Stimme behält. Wie genau diese funktioniert und man seine eigene Stimme einspeisen kann, bleibt ungeklärt.

Sobald die ganze Folge erstellt wurde, kann man von Szene zu Szene springen, diese zu belieben bearbeiten und damit komplette Handlungsstränge ändern. Scheinbar werden dadurch auch alle anderen Szenen automatisch angepasst, sodass sie weiterhin Sinn ergeben.

 

Wie ist die Qualität der Folgen?

 

 

Im wohl längsten veröffentlichten Demo-Video, sprechen die Hauptfiguren über den aktuellen Filmwriter Streik und Cartman kommt auf die Idee, eine Deepfake-Firma zu gründen, die es Streaming Anbietern ermöglicht, jeden Schauspieler mit einem anderen ersetzen zu können. Daenerys Targaryen aus Game of Thrones, aber gespielt von Danny Devito? Das wäre dann auf Knopfdruck möglich.

"We'll just use actors nobody cares about anymore, like Meryl Streep, Harrison Ford or Tom Cruise!"

Jeder hält Cartman für verrückt und unmoralisch, er will diese Idee jedoch umsetzen und wendet sich an eine Firma, die auf „Disney“ anspielt. Um Fremdkapital wirbt er bei einer Investmentfirma. Keiner ist völlig überzeugt von der Legalität des Unterfangens, Cartman setzt sich aber mit dem Argument durch, dass man ja auch nur Schauspieler nutzen kann, die „keinen mehr jucken“, wie „Meryl Streep, Tom Cruise oder Harrison Ford“.

Völlig motiviert klappern die Figuren nun die „irrelevanten“ Schauspieler ab, von denen viele die Idee gut finden, jedoch alle schon ein anderes Angebot eines ominösen Multimilliardärs angenommen haben.

Tom Cruise lässt die Katze aus dem Sack und verrät, dass es sich um Elon Musk handelt. Konfrontiert von Cartman und seiner Entourage, erklärt Musk, dass er plant, die Schauspieler für den Kulturerhalt der Menschheit auf eine Mars-Base zu schicken, sodass dort die „Besten der Besten“ weiter Filme drehen können.

Cartman pitcht seine Idee und Musk scheint angetan davon. In der Schule prahlt Cartman von seinem Businessdeal, bis er plötzlich hört, dass die Schauspieler jetzt doch auf den Mars geflogen sind.

Es stellt sich heraus, dass Musk, Cartman nur angelogen hat, um sein Geschäftsmodell völlig zu zerstören und „Disney“ zu schaden. Die Ablehnung aller Schauspieler über Deepfake Technologie, konnte er sich selbst zunutze machen.

Unsere Einschätzung zur Folge

 

Diese völlig vertont und animierte, 10-minütige Mini-Episode fühlt sich an, klingt und sieht fast so aus wie das Original. Klar, erkennt man, dass hier keine professionellen Künstler jeden Frame getreu der Serie angepasst haben, dass manche Stimmen unnatürlicher als andere klingen und generell weniger Bewegungen abgebildet werden, jedoch ist dies wohl die bisher beste völlige KI-Episode, die die Welt je gesehen hat.

Alle Handlungsstränge ergaben Sinn, manche Stimmen klangen, als hätte jemand sie tatsächlich so eingesprochen, es gab keine sinnlosen Sätze und die Folge war gespickt mit dem typischen South Park Humor. Ich würde zwar persönlich sagen, dass das Original deutlich härtere Witze eingebaut hätte, obszönere Worte und eine höhere Comedy-Dichte, jedoch wurde dies vielleicht absichtlich heruntergeschraubt, um alle Zielgruppen anzusprechen und nicht vom wissenschaftlichen Charakter des Projektes abzulenken.

Falls man dieses Programm zukünftig auf jede Serie anwenden kann und die Qualität sich noch weiter verbessert, stehen uns Jahre der gewaltigen Disruption einer ganzen Branche bevor.

Über diesen Link gelangt ihr zur beschriebenen KI-Episode, erstellt von „The Simulation“:  Hier klicken!

Wer steckt hinter dem Projekt?

 

Es bedarf eine lange Recherche, um genau zu verstehen, wer an diesem Projekt beteiligt ist. Googelt man „The Simulation“ findet man erst nach längerem Scrollen ihre Website.

Dort wird geredet über das nächste Level für eine gesamte Spezies und die Erschaffung eines kompletten digitalen Ökosystems voller KI-Figuren. Oft vergleicht die Firma ihr Vorhaben mit dem Spiel „Die Sims“, aber halt ohne, dass diese von Nutzern gesteuert werden, dafür aber dauerhaft, unwissend gefilmt werden, wie in der Truman Show. 2025 sollen die ersten digitalen Welten veröffentlicht werden. Es handelt sich um die „Mars Base 56“ und um „Dodge City“, einer Cyber-Western Stadt.

Schaut man sich das gelistete Team der Firma an, bemerkt man aber Unstimmigkeiten. Jede Person wurde lediglich als KI-Avatar abgebildet und auch nach langer Recherche landet man bei keiner von ihnen auch nur einen Suchtreffer. Keiner nutzt Social Media, keiner ist auf LinkedIn, ja keiner hat davor auch nur einen digitalen Fußabdruck hinterlassen.

Auf Bildern sieht deren Office in San Francisco aus wie das Apple Hauptquartier, bloß fünfmal gigantischer und noch futuristischer. Wie von einem anderen Planeten würde es sich mitten in der Innenstadt der kalifornischen Metropole befinden und dort wie ein gelandetes Raumschiff andocken.

Eine Suche nach der im Impressum angegebenen Adresse dieses Komplexes führt ins Leere. Das Gebäude existiert nicht und auch die Adresse ist erlogen. Für uns Deutsche ist das für gewöhnlich ein klares Zeichen für ein zwielichtiges und auch illegales Unternehmen, scheinbar aber nicht im Golden State.

Nun rühmt sich die Firma aber mit 2 Emmy- und auch Peabody-Awards. Diese hat sie auch tatsächlich gewonnen! Erst durch die Emmy-Website wird einem jetzt der alte Name der Firma bekannt, der lautet „Fable Studio“.

Diese haben zuvor die preisgekrönte KI-Figur „Lucy“ aus dem Spiel „Wolves in the Wall“ erschaffen, die wohl realistischste Videospielfigur der Welt. Dort interagiert man als „Imaginärer Freund“ mit ihr, einem achtjährigen Mädchen, und löst Rätsel.

Nun ist auch das Mysterium um die Leitung der Firma gelöst: Der CEO von Fable Studios ist Edward Saatchi, einer der Gründer der Firma Oculus, die für ihre revolutionären VR-Headsets bekannt wurde und jetzt Teil von Meta ist.

 

Unsere Einschätzung zu dieser Taktik

 

Inwieweit man einer Firma vertraut, die zwar Software anteaserst, jedoch wichtige Informationen falsch angibt, sei mal dahingestellt. Ihre Software kann dennoch die Entertainmentbranche revolutionieren!

Die Company zeigt zudem auch einen semilegalen Weg, wie sich Firmen in Zeiten von massiver digitalen Disruption selbst erneuern können. Bitte fertigt jetzt nicht ohne Kommentar eine komplette Fake-Seite an, aber versucht euch Gedanken über das generelle Konzept zu machen.

Nehmen wir z.B. Actimel, die seit Jahren in Werbungen mit diesen animierten Figuren arbeiten, die im Körper gegen Krankheitserreger kämpfen. Warum leiten sie auf ihrer Website nicht auf eine imaginäre Homepage dieses Gesundheitstrupps weiter, die spielerisch und mit Charme ihre Arbeit beschreibt? Man könnte hierauf für Kinder auch Erlebnisse bauen, wie z.B. kleine Videospiele. Das Ganze schafft Immersion für Groß und Klein!

Natürlich sollte man in der Oberfläche dieser „Fake-Seiten“ jedoch sichergehen, dass man das richtige Impressum angibt und auch oben Logos einbaut, die auf die normale Company-Seite verlinken.

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Portrait von Jason Michael Schmitt

Über den Autor: 

Jason M. Schmitt ist ein vielseitiger Fachmann mit Expertise in digitalem Marketing, Sales, Social Media und Content-Erstellung.

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